Da ich letzte Zeit viele Coachingsanfragen habe, die mit Authentizität zu tun haben, möchte ich darüber ein wenig schreiben… Der Begriff „Authentizität“ könnte auf zwei griechische Wörter zurückgeführt werden, nämlich „autos“ – selbst und „telos“ – seiend, also: selbst zu sein. Dank dieser Abstammung vom dem Wörtchen „selbst“, das nur den denkenden, fühlenden und handelnden Wesen unterstellt werden kann.

Der berühmte amerikanische Literaturkritiker Lionel Trilling befasste sich mit dem Thema in seinem Buch „Sincerity and Authenticity“. Laut Trillings Untersuchungen bedeutet die Authentizität eine bestimmte Qualität des Handels eines Menschen zu sich selbst. Diese Qualität nach Trilling muss positiv erscheinen, sodass der Mensch dank der Authentizität ein geglücktes Leben führt (Trilling, 1982) Auch der bekannteste deutsch-amerikanische Sozialpsychologe und Philosoph Erich Fromm beschäftigte sich intensiv mit dem Thema Authentizität. Fromm kam zur sehr dichterischen Schlussfolgerung, dass authentisch zu leben bedeutet, täglich neu geboren zu werden (Fromm, 2015).

Nach Fromm gibt es gewisse Voraussetzungen, die die Authentizität bedingen. Eine davon ist die Freiheit. „Freiheit ist … eine Möglichkeit: die authentische Realisierung der menschlichen Persönlichkeit“, so Fromm (2015). Die Freiheit wird als Kampf verstanden, der Kampf gegen Rahmenbedingungen, die uns das Leben ständig setzt. Somit ist die Freiheit eine Brücke, die Authentizität mit der Autonomie verbindet. Die zweite Voraussetzung ist die der teleologischen Natur. Teleologisch bedeutet, dass unsere Handlungen bezweckt und zweckmäßig aufgebaut sind. Demzufolge meinte Fromm, dass der authentische Mensch den Sinn des Lebens sucht. Auch eine emotive Voraussetzung mischt sich bei, nämlich die Fähigkeit überrascht zu werden. Ohne die Emotion Überraschung gäbe es nach Fromm und anderen Philosophen keine Authentizität. Die zwei nächsten Voraussetzungen haben eine direkte Verbindung zur Selbstkompetenzen: die Kraft, sich zu konzentrieren und Konflikte und Spannungen zu akzeptieren. Und schließlich stellt die Fähigkeit zur Selbsterfahrung, womit wir uns am Anfang des Buches intensiv beschäftigten, eine maßgebliche Bedingung für authentisches Leben nach Erich Fromm dar (Fromm, 2015)

Modernen Untersuchungen zufolge, unterscheidet man vier wichtige Komponenten der Authentizität: Bewusstsein, authentisches Verhalten, Ehrlichkeit mit sich selbst und Aufrichtigkeit (Kernis and Goldman, 2006). Bewusstsein der authentischen Menschen entfaltet sich in der Kenntnis von sich selbst, seiner Gefühle und Emotionen, seines Ichs, und in der Bereitschaft zur Selbstreflexion. Demzufolge wirken authentische Menschen echt, offen und entspannt. Sie sind ehrlich mit sich selbst und stehen zu sich selbst, zu den eigenen Fähigkeiten, Talenten, Stärken und Schwächen, sodass authentische Personen auch den anderen gegenüber aufrecht sind.

Wir mögen sagen, der Herr X verhalte sich authentisch, die Frau Y strahle Authentizität aus, wir selbst sind in der Lage, die Authentizität anderer Menschen wahrzunehmen. Kann man auch die eigene Authentizität erspüren? Kann ich selbst sicher sein, dass ich mich authentisch verhalte? Man hört im Fernsehen oder liest in der Zeitung, dass diese oder jene Berühmtheit über sich preisgibt, sie oder er sei authentisch. Ich glaube, sobald wir der Meinung sind, wir verhalten uns authentisch, ist es mit unserer Authentizität vorbei. Authentizität bedarf keiner Nachweise für sich selbst, Authentizität bedarf mehr dem Sein als dem Schein.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Authentizität und dem Beruflichen? Progressive Unternehmen, in denen Freiheit, Diversity und Kreativität von Mitarbeitern geschätzt werden, profitieren von authentischen Mitarbeiteten enorm, weil solche Mitarbeiter: (i) wissen, was sie wollen, (ii) effizienter Entscheidungen treffen, (iii) neue und kreative Ideen liefern, (iv) gute Geschäftsbeziehungen bauen, (v) zum Vorbild bei anderen Mitarbeitern werden, (vi) sowohl für den eigenen Erfolg, als auch für den Erfolg des Unternehmens handeln. Autoritär geführte Unternehmen hingegen sowie solche, die Freiheit nicht als treibende Kraft der Geschäftsentwicklung betrachten, verachten authentische Mitarbeiter. Auch wollen authentische Menschen nicht zum Erfolg solcher Unternehmen beitragen.

Mehr über das Thema in meinem Buch „Erfolgsfaktor Selbstkompetenz für Young Professional“.